Aha statt Ohje in Sydney: Gelassenheit mit Atemmaske - Die Evolutionistin - Martina van der Veer

Aha statt Ohje in Sydney: Gelassenheit mit Atemmaske

Aha statt Ohje in Sydney: Gelassenheit mit Atemmaske

Sydney war für mich ein weiterer Höhepunkt und zeitgleich der Abschluss meiner Gruppenreise. Ich hatte noch ein paar Tage in Bondi und Coogee am Strand geplant und freute mich sehr darauf. Zu dem Zeitpunkt breiteten sich die jährlichen Buschbrände in New South Wales aus, aber das Ausmaß war nicht abzusehen.

Das erste Mal sind wir während der Reise mit dem starken Rauch in Canberra in Berührung gekommen. Die Stimmung in der Gruppe war angespannt, denn die Befürchtungen, die im Raum standen, waren, dass der Besuch in den Blue Mountains (einer der Höhepunkte der Reise) ausfallen könnte. Auch Sydney frisch und fototauglich – wie man sich das als Tourist so wünscht, stand in Frage. Es war sehr interessant, zu beobachten wie jeder Einzelne mit der Ungewissheit umgegangen ist. Sorgen, Spekulationen, aber auch konkrete Pläne, gebuchte Verlängerungen in Sydney abzusagen, waren Reaktionen. Unser australischer Reisleiter hat sich in der typisch entspannten Aussie-Manier aus allem rausgehalten und dem Ganzen gelassen entgegengeblickt. “No worries…” – Gelassenheit vom Feinsten.

Waldbrand Feuer Rauch

Das habe ich auch geübt. Mein Reisemotto “Aha statt Ohje” war hier der beste Wegweiser, ebenso wie mein persönliches Training, mit Gelassenheit im Moment zu sein. Das ist mir bis auf wenige Ausnahmen auch gut gelungen. Ein echtes Training halt…

Ich habe in Vancouver aufgrund eines massiven Waldbrandes bereits die Erfahrung gemacht, welche unangenehmen Auswirkungen Rauch hat und konnte deshalb eine der schönsten Städte der Welt nicht genießen. Ich (mein System) hatte also einen Referenzpunkt und wollte diese Erfahrung gerne vermeiden. Das hätte ich tun können, indem ich Sydney sein lasse und mir einen anderen Ort in Australien suche, an dem ich meine Reise ausklingen lasse. Oder meine Reise verkürze. Mein Gedankenkarussel hat ein paar Extrarunden gedreht mit den vielen Möglichkeiten, wo ich dann stattdessen weiter reisen sollte… Das hat mich ziemlich gestresst und mich völlig aus dem Moment herausgeholt. Auf der Great Ocean Road – eine der wirklich schönsten Reiserouten der Welt – habe ich dann ein Machtwort für mich selbst gesprochen und das “Was wäre wenn…” gestoppt. Selbst-Führung und Selbstbestimmtheit statt Mindfucking! Ich muss nicht so denken und kann meinem Ego die Macht entziehen. Eine bewusste Entscheidung! Einatmen, ausatmen, im Moment bleiben – und darauf vertrauen, dass sich alles finden wird. Zu dem Zeitpunkt ging es übrigens noch sehr gut mit dem Atmen… Meine Haltung von „Aha statt Ohje“ war dafür die beste Hilfestellung. Es ist ein Training – mehr nicht.

Australien Meerblick Felsküste

Erst, als mich Freunde, Kunden und Familie besorgt anschrieben, ob ich (noch) sicher und wohlbehalten in Australien unterwegs sei, bekamen die Buschfeuer eine stärkere Relevanz. Bis zu diesem Zeitpunkt wusste ich zwar, dass verheerende Brände wüteten, habe aber bewusst auf die Medienberichterstattung dazu verzichtet. Ich konnte in meinem Rahmen mit dem Umstand umgehen und war – außer durch zweitweise schlechte Luftqualität – nicht direkt betroffen.

Sydney Waterfront Skyline

Die Informationen, die man mir von deutschen Medien oder über Facebook zuspielte, zeichneten ein anderes Bild als das, was ich in Australien mitbekam. So wurde zum Beispiel eine Karte der NASA, die die Hitzefelder in Australien aufgezeichnet hatte (nicht Feuer!), zu dem Bild “Ganz Australien brennt” umgemünzt und weltweit geteilt. Je nach Quelle habe ich mich wirklich gewundert, wo es alles brennen sollte. Ich konnte diese Informationen in den australischen Quellen nicht bestätigt finden. Was ich aber sofort gemerkt habe, war, dass ich mit jedem Konsum neuer Schlagzeilen und Hiobsbotschaften deprimierter wurde. Obwohl ich nicht direkt betroffen war und die Feuer auch nicht direkt erleben würde, war ich plötzlich überzeugt, ich müsste meine Reise abbrechen und sollte besser nach Hause fliegen. Alles war so bedrückend und die Nachrichten über getötete und vermisste Menschen, Evakuierungen durch die Marine und der Verlust von fast 800 Millionen Tieren alleine in NWS (New South Wales) haben mich mitleiden lassen. Keine gute Idee und völlig unnötig.

Das mag hart klingen, aber sich in Drama hineinziehen zu lassen und sich dadurch gelähmt zu fühlen, hilft niemandem. “Love it, change it or leave it” bleibt auch hier ein Wegweiser. “Love it” kann in diesem Kontext sehr leicht falsch verstanden. Es ist natürlich nicht gemeint, dass ich den Umstand in irgendeiner Form gut finde. Aber ich kann akzeptieren, dass dies ein tragisches Ereignis ist, und mitfühlen. Mein Herz hat weh getan bei dem Gedanken, was diese Brände für alle und alles bedeutet. Ich bin durch einige der wunderschönen Orte und Landschaften gefahren, die jetzt schwarze Wüste sind. Und ich habe keine Ahnung, was daraus wachsen wird und wozu diese Erfahrung den Australiern (und uns) dienen wird.

Es ist (m)eine Entscheidung: Ich fühle mit und ich engagiere mich im Rahmen meiner Möglichkeiten. Und ich bleibe bei mir und im Moment. Jeden Tag aufs Neue. Ich habe mich auf diese Erfahrung eingelassen. Am Ende bin ich fast drei Wochen in Sydney und Umgebung geblieben und habe das getan, was die Australier auch tun: Gelassen sein und bleiben. Und an den Stellen zu wirken, an denen es mir möglich war und sinnvoll erschien.

Sydney Opera Skyline