Jede/r von uns kennt die Situation, in der wir einer Verbal-Attacke hilflos und sprachlos ausgesetzt waren. Vermutlich hat dein Kopfkino dir später diese Situation in der Endlosschleife vorgespielt und du hast die schlagfertige Reaktion gefunden, nach der du dich in dem Moment gesehnt hast. Dann kommt das “hätte, sollte, könnte, warum habe ich nicht” – selbst zerfleischen… Was für ein Energiefresser! Bringt dir nichts außer schlechter Laune. Was wir stattdessen wirklich brauchen sind ganz andere Fertigkeiten: Mut, Gelassenheit, souveräne Selbst-Führung. Elegantes Entwaffnen gelingt mit der richtigen Frage.
“Wie gewinne ich im Gespräch, habe Oberwasser und vermeide es, wie ein Loser da zu stehen?” In meinen Seminaren und Coachings werde ich immer wieder gebeten, das Thema Schlagfertigkeit mit hinzuzunehmen. Das Bedürfnis nach Selbstschutz, Stärke zeigen und unangreifbar zu wirken (Hand aufs Herz: wir sind es nicht…) ist groß. Verständlicherweise, denn im Haifischbecken wünsche ich mir die richtigen Waffen, um mich zu verteidigen und mein Überleben zu sichern.
Doch wollen wir dieses Spiel des Schlagabtauschs wirklich noch spielen? Ich finde mehr denn je, dass das Konzept von Schlagfertigkeit an der völlig falschen Stelle ansetzt. Die “Fertigkeit zu Schlagen” hinterlässt Verletzungen und das hat keinen Platz in der Kultur eines guten Miteinanders. Ich erfreue mich am humorvollen Paroli bieten und witzigen Kommentaren, über die alle lachen können. Aber das ist meistens nicht Sinn und Zweck dieser Fertigkeit, will sie doch einfach fertig machen…. Was soll toll daran sein, jemanden als Loser dastehen zu lassen oder zu verletzen? Wieso sollte das gefeiert werden? Für mich gilt das in beide Richtungen, denn schlagfertig kontern dreht den Spieß nur um.
Wenn man im Internet nach Schlagfertigkeit sucht, wird man zugeschmissen mit Angeboten wie: “Nie wieder sprachlos”, “Immer die Kontrolle im Gespräch haben!”, “Schlagfertigkeit trainieren und dumme Sprüche kontern”, “Rhetorische Meisterschaft: so beherrscht du das Spiel!” Was für ein altes (veraltetes) Mindset doch dahinter steckt. Ich verstehe sehr gut, warum Versprechen dieser Art wie ein “Erste Hilfe Koffer” oder Rettungsring verstanden und genutzt werden. Wir wollen das Gesicht nicht verlieren, dumm dastehen und jederzeit in der Lage sein, gut für uns selbst zu sorgen. Dein Security Guard (Ego) wird jetzt vehement zustimmen. Das begrüße und unterstütze ich. Aber jetzt ist es Zeit für eine neue Form der Begegnung und echter Selbst-Führung. Und die hat keine Interesse daran, das Spiel der verbalen Erniedrigung und des “Kleinmachen, um sich groß zu fühlen”, zu bestärken. Frage dich: Hat der Weg ein Herz, den du beschreiten möchtest. Und wenn nicht, wie bringst du es hinein?
Ob New Work oder nicht: Es ist an der Zeit, genau solchen alten Verhaltensweisen neu zu begegnen. Wenn du gelassen und souverän mit einer solchen Situation umgehen möchtest, fange du damit an. Das alte Konzept von Sieger sein, gewinnen und damit den anderen zum Verlierer zu machen, ist wirklich überholt. Wir können uns das nicht mehr leisten. Möchtest du davon noch Teil sein? Oder findest du nicht auch, das in Zukunft unser Miteinander anders gestaltet sein sollte? Du kannst dazu beitragen, ein Wir zu kreieren, in dem du für dich offen, ehrlich und selbst in Führung gehst. Wie? Wenn du getroffen bist von einer verbalen Spitze, gestehe es dir ein und gib es zu. Welche Größe hat es, in einer solchen Situation zu sagen: Das verletzt mich!
Ich kann dich deinen Widerspruch schon formulieren hören: “Aber, dann stehe ich doch als Loser da”, “Was denken denn die anderen?, “Ich will doch das Gesicht nicht verlieren”, “Das kann ich mir nicht leisten”, und so weiter. Das kannst du so sehen, aber ist das wirklich so? Reality Check! Wir sind die Veränderung, auf die wir warten und es braucht die Pioniere, die neue Wege eröffnen.
Ja, es verletzt dich. Aber deshalb bist du doch nicht schwach! Hier liegt der Denkfehler. Was soll daran schwach sein, wenn du in aller Ruhe ehrlich einem solchen Schlag begegnest und das sagst? Dass du gerade nicht verstehst, warum dieser Pfeil auf dich geschossen wird und was damit bezweckt werden soll. Ob du deinem Gegenüber mit dieser Reaktion vielleicht sogar den Wind aus den Segeln nimmst, weiß ich nicht. Musst du das?
Es geht hier um dich, du sorgst für dich und bleibst selbst in Führung. Und das kannst du, indem du entweder verbal eine Grenze setzt: “Das finde ich nicht passend. Das möchte ich nicht. Sorry, das ist nicht mein Spiel”. Oder eben die Situation hinterfragst. Vor allem nimmst du es nicht persönlich. Du lässt dich nicht treffen, weil du bei dir selbst bleibst. “Aha, statt Ohje” ist deine Haltung. Und ja ich weiß, das ist so ziemlich das schwierigste Training. Und genau das lohnt sich.
Hier findest du eine kleine Checkliste mit Tipps, die dich viel eher gewinnen lassen als jede Schlagfertigkeit es schaffen kann. Du gewinnst Achtung, deine Selbst-Achtung durch Selbst-Fürsorge. Gehe selbst in Führung und drücke es aus.
– Reality Check als dein persönlicher Stopper, um nicht automatisch in den “Fight or Flight”- Modus zu verfallen
– Aha statt Ohje als Grundhaltung. Ein Exfreund sagte dann immer sehr charmant: “Aha, soso…”
– Sprechdenken zum Überbrücken des Überraschungmomentes
– Offene Fragen, um die Situation zu erforschen
– Einwänden souverän begegnen und Killerphrasen entschärfen als Ergänzung für deine offenen Fragen
– Dreiklang + 1 als Universalschlüssel, mit dem du in jedem Gespräch neue Wege eröffnen kannst
– Grenzen setzen mit der https://www.martina-puetz.de/2019/08/02/grenzen-setzen-einfacher-nein-sagen/
Und für dich zur Erinnerung: Du gibst keine Macht der Ohnmacht und erlaubst dir verletzlich zu sein. Darin liegt deine Kraft und Stärke.