Unvermögen wird gleichgesetzt mit: Inkompetenz, Schwäche, Unfähigkeit, Unzulänglichkeit, Versagen – ein Armutszeugnis. Alles Bewertungen, die niemand gerne mit sich in Verbindung gebracht wissen möchte. Ein großer Teil unserer Verhaltensstrategien sind auf Vermeidung eben dieser Eigenschaften ausgerichtet. Gut so, spornt es uns doch an, uns weiter zu entwickeln und nicht mit einer groben “Mir doch egal, so bin ich eben”- Haltung durch Leben zu trampeln.
Und es gibt einen wertvollen Aspekt, der viel zu selten Raum und Ausdruck bekommt: Wenn mir bewusst ist, dass ich etwas (noch) nicht vermag, mir vielleicht die Möglichkeiten (noch) versagt sind etwas zu schaffen, dann kann ich damit entspannter und selbstbewusster umgehen. Wie ich das meine? Es macht einen enormen Unterschied, wenn ich mir über meine Beeinträchtigung selbst im Klaren bin und diese in Eigentum nehme. Auch wenn ich ein Unvermögen bei meinem Gegenüber als genau das (an)erkenne.
Der Umgang mit Jugendlichen mit Beeinträchtigungen hat mich hier viel gelehrt. In meiner ehrenamtlichen Tätigkeit für Schülerinnen und Schüler der LVR-Anna-Freud-Schule (AFS) in Köln, hat es mich immer wieder beeindruckt, mit welcher Selbstverständlichkeit diese Kinder über ihre Beeinträchtigung (Unvermögen) sprechen. Und dazu auch stehen. Wieso auch nicht? Sie üben sich deshalb besonders darin, ihre Talente und Stärken zu kennen und diese auszudrücken. Mehr zu meinem Learning und meiner anfänglichen Unsicherheit in dieser Situation hörst du im Soundbite:
Ganz persönlich habe ich das Thema in einer früheren Beziehung ein wenig mehr erforschen können. Einem Ex-Freund von mir fehlt die Fähigkeit zur Empathie. Er hat diese “Farbe nicht in seinem Farbkasten”. Nicht Ignoranz, Inkompetenz oder eine selbst verschuldete Art und Weise sind der Grund für sein Verhalten, sondern ein Nicht-Vorhanden sein. Eine Begrenzung seiner Fähigkeit, die durchaus zu einer Form von Autismus gehört haben mag. Liebenswert war er trotzdem und ein toller Mensch auch. Mein Wissen um diese Tatsache hat es leichter gemacht, in bestimmten Situationen sein Verhalten richtig einordnen zu können. Und ja, natürlich habe ich es vermisst und hätte es mir anders gewünscht. Aber wie hätte hierzu denn die Diskussion aussehen sollen? “Wenn du mich wirklich lieben würdest, dann…” oder “Gib dir mehr Mühe, dann…”.
Toleranz und Respekt waren von mir gefragt und bedingungslose Liebe. An dem “Ex” vor dem Freund siehst du natürlich, dass unsere Beziehung nicht gehalten hat. Aber das hatte noch ganz andere Gründe. Gelernt habe ich mit ihm, viel gelassener zu sein und nicht so verbissen an meinem “ich will das aber so” festzuhalten. Dafür bin ich ihm heute noch dankbar.